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Volare, oh oh, cantare, oh oh oh...

Oh Mann, ist das lange her, dass ich hier etwas von mir gegeben habe. Also höchste Zeit, zumindest meine Sommertour endlich mal zu Papier, äh, also, zu Bildschirm zu Bringen.


Für dieses Jahr habe ich mir Italien vorgenommen, von Norden nach Süden, von Westen nach Osten, einmal Pizza mit Alles sozusagen. Einen festen Plan habe ich nicht, ich entscheide von Tag zu Tag, wo die Reise als nächstes hingeht, ganz nach Wetter, Lust und Bauchgefühl. Und warum ausgerechnet Italien? Nun, bei Italien kommen mir schöne, leichte Dinge in den Sinn: Blauer Himmel, warme Sonne, hohe Berge, einladende Küsten. Wie sangen schon Domenico Modugno, dann Dean Martin und noch später die Gipsy Kings im Evergreen Volare: Er träumt davon sich Hände und Gesicht blau zu Bemalen und dann zu Fliegen in's Blau des unendlichen Himmels. Volare, nel blu dipinto di blu...





Wie schon letztes Jahr belade ich Anfang Juli meinen VW-Bus mit diversen Campingutensilien und - wichtigstes Zubehör natürlich - einem meiner beiden Motorräder. Letztes Mal war es Rosa, dieses Jahr darf Emma mit. Einfach, weil sie weniger Platz im Bus beansprucht, leichter und handlicher ist und ich sie auch ohne Seilwinde über die Rampe einladen kann.


Die ersten beiden Nächte habe ich wieder in der Tibethütte auf dem Stilfser Joch vorgesehen, die einzigen unter einem festen Dach. Stelvio und Umgebung gehören bei einer Fahrt durch Trentino einfach dazu. Unbezahlbar sind allein die schöne Anreise über den Umbrailpass, die wunderbaren Sonnenunter- und -aufgänge im Hochgebirge, der Blick auf König Ortler, die gute tiroler-italienische Küche bei den freundlichen Wirtsleuten der #Tibethütte, mit etwas Glück den seltenen Bartgeier beobachten.





Einige weit weniger seltene Zeitgenossen hier in den Bergen sind die zahlreichen Radfahrer, die manchmal schneller unterwegs sind als ich mit Emma.




Nächste Etappe ist Cinque Terre. Auf dem Weg dorthin ertrinke ich auf dem Mortirolopass beinahe in Gewitter-Sturzbächen auf der schmalen Straße.






Dafür heizt mir dann die Poebene mit 35° wieder hochsommerlich ein. Der Campingplatz heißt zwar "Cinque Terre", liegt aber knapp daneben, in Levanto. Egal, die felsige Mittelmeerküste ist hier überall spannend.





Dann geht es rüber nach Montecatini Alto in der nördlichen Toscana. Die Bergstraßen dort sind teilweise abenteuerlich mit unterspülten Schlaglöchern so groß wie ein FIAT Cinquecento. Auf dem Heimweg vom pittoresken, am Steilhang klebenden Dörfchen Lucchio kippt mir Emma auf die rechte Seite. Klassische Situation: Enge Rechtskurve auf einem steilen Bergsträßchen , kurz überlegt, ob ich danach nach links auf die Schotterstraße abbiegen soll und eine Sekunde zu lang vom Gas weg: Plumps. Na ja, der rechte Lenkerendspiegel sitzt nicht mehr fest und dreht sich wie ein Karussell. Fortsetzung: Siehe Rom.





Der eigentliche Grund für den Stopp in Montecatini ist das jährliche Blues Festival im benachbarten Pistoia, das ich an zwei Abenden besuche, speziell eine meiner Lieblingsbands Gov't Mule. Das einzigartige Ambiente des Domplatzes, die super Stimmung im Publikum und die gut aufgelegten und exzellent spielenden Bands haben meine Erwartungen mehr als erfüllt.





Rom besuche ich als nächstes. Zweieinhalb Jahrtausende Geschichte erschlagen mich förmlich. Allerdings auch die Massen an Touristen, so dass ich keine der Sehenswürdigkeiten von innen besichtige. Aber die Rundtour durch die Stadt, erleichtert durch meinen kleinen E-Scooter, ist trotzdem beeindruckend. Das ist auch der Verkehr, den ich mit Emma genießen darf auf meinem Weg quer durch die Stadt, um mir beim KTM-Händler K-Roma den locker sitzenden Spiegel reparieren zu lassen. Der super freundliche Mitarbeiter will keine Bezahlung haben für das Erneuern der verbogenen Befestigungsschraube.





Auf die hektische Großstadt folgt jetzt das Kontrastprogramm in den Abruzzen auf einem sehr, sagen wir, rustikalen Campingplatz am Fuße des Gran Sasso. Hier kraxle ich ein wenig in den Bergen rum und erkunde die Umgebung mit Emma. Oben auf der grandiosen Hochebene Campo Imperatore darf Emma ein wenig ihre Geländegängigkeit unter Beweis stellen, als ich halb offroad eine verlassene Skistation erkunde. Die wurde offenbar bei einem der schweren Erdbeben der letzten Jahren komplett zerstört und dient jetzt Pferden als Unterstand.





Im Gargano hatte ich in den 1980er Jahren meinen ersten richtigen Urlaub nach dem Studium verbracht. Dessen sonnige und malerische Südküste bei Vieste ist jetzt meine nächste Station. Der Monte Sant' Angelo mit der in den Fels gehauenen unterirdischen Kirche Santuario di San Michele Arcangelo steht auf dem Programm, aber auch Abkühlung von der Sommerhitze in den schattigen Wäldern der Foresta Umbra.





Eigentlich will ich noch nach Apulien, an den Stiefelabsatz Italiens, finde dort aber keine passenden Campingplätze. Also muss Matera reichen, die uralte Stadt mit den in den Fels gegrabenen Häusern, die schon in der Steinzeit bewohnt waren. Schon auf der Fahrt dorthin durch die sonnenverbrannte, leicht hügelige Ebene mit schier endlosen Weizenfeldern fühle ich mich in eine andere Welt versetzt.





Wesentlich grüner und lebendiger wird es an der Westküste in Tropea. Diese Stadt am "Stiefelrist" besticht durch ihre lebendige Altstadt und das unglaublich glasklare, blaugrüne Meer. Hier mache ich einen Abstecher zum Capo Vaticano auf einem Segelboot mit Badestops. Sizilien und die Äolischen Inseln mit ihren Vulkanen sind hier in Sichtweite. Rund 1.800 Kilometer von zu Hause ist das der südlichste Punkt meiner Reise. Noch weiter runter will ich nicht, weil ich auch noch einige Tage in Südtirol haben möchte, um "richtig" Motorrad Fahren zu können. Hier im italienischen Süden laden der teils miese Straßenzustand und die Fahrweise der Einheimischen nicht gerade zu langen Touren ein.





Amalfi gehörte seit Langem zu den Orten, deren Klang mich immer an eine herrliche Felsenküste, Zitronen, blauen Himmel und an der Steilküste klebende pittoreske Orte denken ließ. Und genau diese Vorstellung finde ich in der Realität bestätigt. Etwa 600 Meter über der Küste, in Agerola, habe ich abends einen atemberaubenden Ausblick auf die Lichter Amalfis und der anderen Orte. Die geplante Fahrt auf den nahen Vesuv lasse ich doch lieber bleiben, der Weg durch den Moloch Neapel schreckt mich doch ab.





Florenz, die Stadt mit den unzähligen Renaissance-Kunstwerken beeindruckt mich. Wie in Rom ist aber wegen der Touristenmassen an einen Besuch eines der Museen oder des Doms nicht zu Denken. Aber da habe ich doch gleich etwas für einen weiteren Besuch außerhalb der Hochsaison.





Je weiter ich zurück nach Norden fahre, umso ungeduldiger werde ich in meiner Vorfreude auf die Berge und Pässe von Südtirol und Trentino. Endlich angekommen im Passeiertal stürze ich mich auf die umliegenden motorradtechnischen Sahnestücke: Timmelsjoch mit dem beeindruckenden, nach dem Brand kürzlich wiedererbauten Motorradmuseum, Jaufenpass, Penserjoch, die Dolomiten mit Grödner-, Sella- und Pordoijoch, dann Manghenpass, Gampenpass und so weiter. Herrlich... Ach ja, Volare ist auch angesagt, als Tandemflug mit dem Paraglider vom Stalten.







Tag 31 führt mich nochmal durch das schöne Val Müstair zum Ofenpass und schließlich in den Breisgau nach Hause.


Hat denn nun Italien meine Erwartungen erfüllt? Ich kann nur Sagen: Ja, voll und ganz. Kein Tag, an dem mir nicht auch nach Volare und Cantare zumute war auf den Anhöhen der Berge von Trentino und Südtirol und in den Abruzzen, in den trockenen, glutofenheißen Ebenen der Basilikata, in den Geschichte atmenden Städten, an den herrlich blauen Küsten Kalabriens und Kampaniens. Allein die vielen abwechslungsreichen verschiedenen Landschaften und Stimmungen sind eine Reise wert. Und zudem begegneten mir überall fast ausschließlich freundliche Menschen.


Wo die Sonne scheint, gibt es natürlich auch Schatten. Als wenig schön fiel mir der vor Allem im Süden allgegenwärtige Müll auf. In Kalabrien beispielsweise gibt es kaum einen Meter Straßenrand ohne Abfall und Dreck. Ich habe den Eindruck, wenn la Mamma sagt "Schatz, bringst Du mal bitte den Müll raus", dann fährt Schatz mit den gesammelten Mülltüten zum nächsten Dorf und schmeißt auf dem Weg einfach Alles an der nächsten Kurve aus dem Fenster seines Alfa.





Das gleiche Nord-Süd-Gefälle trifft auch auf den Straßenverkehr zu. Der ist, positiv ausgedrückt, "spannend" oder aber oft auch wahnwitzig, gemeingefährlich, abenteuerlich. Das fängt schon in Rom an und steigert sich südwärts exponentiell. Insbesondere die Roller stechen dabei heraus, zwängen sich mit einem irren Tempo durch engste Lücken, überholen ohne Sicht auf eventuellen Gegenverkehr, natürlich unbelastet von irgendwelcher lästiger Schutzkleidung außer dem obligatorischen Helm. Ich bin überzeugt die Modellbezeichnungen auf den Gefährten sind alle gefälscht. Statt Vespa, Yamaha und Co, müsste da Kamikaze und Harakiri als Marke draufstehen.




Im Lauf der Zeit finde ich die freizügig-entspannte Interpretation der Verkehrsregeln allerdings immer amüsanter und angenehmer. Wenn sich nicht einmal die Polizei darum kümmert, warum sollte ich mich brav-deutsch streng daran halten?





Dann scheint es noch eine Vorschrift in der italienischen Straßenverkehrsordnung zu geben, dass Linkskurven immer und unbedingt auf dem geradesten Weg zu durchfahren sind. Das führt regelmäßig zu unterhaltsamen und spannenden Situationen, die ich auf dem Motorrad ohne Airbag und Knautschzone natürlich weniger lustig finde. Je näher ich den Bergen des Nordens komme, umso "normaler" und mitteleuropäischer zeigt sich allerdings der Verkehr.


Das Resümee meiner vier Wochen Italien? Nicht umsonst heißt es auch Bel Paese, das schöne Land. Die positiven Seiten überwiegen bei Weitem das wenige Negative, das ich angetroffen habe. Weitere Besuche habe ich fest eingeplant, zum Beispiel in Kürze Florenz per Eisenbahn mit zwei vollen Tag Zeit für Kunst, Kultur und Kulinarik.





E allora ciao, bella, ciao, e arrivederci.

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