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Westalpen, und noch ein wenig mehr

  • Autorenbild: motolupo
    motolupo
  • 4. Aug.
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 19. Sept.

Meine alljährliche mehrwöchige Tour letztes Jahr durch Spanien und Portugal war sehr schön und spannend. Da schaute ich mir aber einige Städte an und hatte nicht ganz so viel Gelegenheit mit Emma durch die Gegend zu fahren.


Dieses Jahr wollte ich wieder mehr Zeit auf zwei Rädern verbringen als auf vier oder auf zwei Beinen. Mein Plan war deshalb die Alpen von "links unten" an der italienischen Riviera nach Wien "rechts oben" zu durchqueren. Nun, links unten hat gut geklappt, und mit größeren Sprüngen bin ich schließlich annähernd in der Mitte gelandet. Zu mehr haben die gut drei Wochen im Juni nicht gereicht. Was aber nicht weiter schlimm ist, denn es war eine wunderbare Zeit, und "rechts oben" läuft mir sicher nicht davon.


Die Strategie ist wie immer: Motorrad "Emma" in den VW-Bus laden, plus was ich sonst noch so brauche für ein paar Wochen Camping.



Los geht es im strömenden Regen durch die Schweiz und die Poebene, bis ich an der Riviera endlich von Sonnenschein begrüßt werde.


Bei Ventimiglia, nahe der Grenze zu Frankreich, habe ich mir ein Zimmer in einem Agriturismo reserviert. Dieser ehemalige Bauernhof namens "C'era una Volta" (Es war einmal) liegt abgelegen auf einem Hügel. GoogleMaps leitet mich auf dem falschen Weg hin auf einer wirklich sehr schmalen Straße, auf den letzten paar Hundert Metern nicht asphaltiert.


Dafür ist die Lage inmitten alter Olivenbäume ebenso einmalig wie der Ausblick nach unten an die Küste von Ventimiglia. Mein Zimmer und das ganze Haus sind sehr liebevoll eingerichtet und renoviert.



Zum Abschluss meines ersten Urlaubstages mache ich mich nochmal auf den Weg runter nach Ventimiglia, diesmal auf der "richtigen" Straße, die sich allerdings als kaum breiter und einfacher befahrbar herausstellt. Um zwei Spitzkehren kann ich mich nur mit Rangieren herummogeln. Als Belohnung für die lange Fahrt, und weil ich am Meer bin, gibt es im Strandlokal Frittura di Calamari e Gamberi.



Das Frühstück bekomme ich am nächsten Morgen im Freien im paradiesisch anmutenden Garten serviert.



Die nächsten zwei Tage erkunde ich auf Emma das bergige Hinterland. Über engen, grünen Flusstälern erheben sich steile Hügel und Berge, auf deren Spitzen sich Dörfer über dem Abgrund drängen: Apricale, Castel Vittorio, Bajardo, Perinaldo, Ceriana, Bussana Vecchia. Bajardo war schon im ersten Jahrtausend vor Christus eine Druidenstätte. Die viel später erbaute romanische Kirche begrub 1887 bei einem schweren Erdbeben mehr als Hundert Bewohner.



Bussana Vecchia besuche ich am zweiten Tag, wegen des für Nachmittag angekündigten Regens plane ich keine größere Tour. Die kleine Stadt wurde beim gleichen Erdbeben 1887 weitgehend zerstört und danach aufgegeben. Erst in den 1960er Jahren siedelten sich hier illegal Aussteiger, Hippies und Künstler an und machten zerstörte Gebäude wieder bewohnbar. Von der Regierung wird das toleriert, wohl auch, weil die Ansiedlung ein Touristenmagnet ist.



Die drei Nächte im Agriturismo bleiben die einzigen mit einem festen Dach über dem Kopf. Den Rest der Reise verbringe ich auf Camping- oder Stellplätzen im Camper. Mein nächstes Ziel sind die französischen Seealpen. Auf dem Weg dorthin mache ich einen kurzen Zwischenhalt in Monaco. Die Stadt ist so, wie ich sie mir vorgestellt habe: Teure Autos, die vor teuren Luxushotels parken, teure Modeläden, deren Eingänge oft von Muskelpaketen mit Sonnenbrillen und in schwarzen Anzügen bewacht werden, äußerst selbstbewusst über das Touristenpack hinwegblickende Ladies in teuren Designerklamotten. Der Hafen beherbergt eine beeindruckende Zahl an teilweise riesigen Yachten. Darüber liegt die Stadt allerdings auch sehr dekorativ an den steilen Hügeln, auf die man stellenweise mit langen Rolltreppen gelangt. Der kleine botanische Garten mit seinen exotischen Bäumen und Kunstexponaten lädt mit seinen schattigen Bänken zum Ausruhen ein.



Über Nizza geht es durch das beeindruckende enge Var-Tal und über den Col de Cayolle nach Barcelonnette zum Campingplatz La Chaup.



Dort entdecke ich an der Seitenwand des rechten Hinterreifens des Bus eine kirschgroße Ausbeulung. Am Vortag hatte ich beim Agriturismo auf einem kurzen, sehr schmalen und nicht asphaltierten Straßenabschnitt mit dem Rad einen Stein touchiert, danach aber keine Beschädigung am Reifen entdeckt.


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Der zweite Reifenhändler, den ich kurz vor Feierabend und Wochenende aufsuche, stellt mir einen Austausch der Reifen am nächsten Nachmittag in Aussicht. Das klappt dann auch glücklicherweise.


Außerhalb Barcelonnettes steht an einem Flugplatz ein historisches Flugzeug, eine Dassault 312.



Die Route des Grandes Alpes ist Sehnsuchtsziel vieler Motorrad-, Auto- und Radfahrer. Die komplette Strecke will ich nicht abklappern, aber einige der verlockend klingenden Pässe möchte ich schon unter Emmas Räder nehmen. Den grandiosen Col de la Bonette und den Col de Lorche bzw. auf italienisch Colle di Maddalena kann ich vormittags befahren, bevor ich den Bus nachmittags neu bereifen lasse.



Am nächsten Tag besuche ich den Col de Vars. Hinter der Passhöhe liegt Vars, ein aus dem Boden gestampftes Retortendorf für die Skifahrer. Jetzt ist es leer bis auf Bauarbeiter, die die grausigen Hotelburgen weiter ausbauen.



Später treffe ich mich mit meinen Freunden Kurt und Michel, die auf dem Rückweg von Korsika sind. Also fahre ich mit ihnen ein zweites Mal auf den Col de la Bonette (das ist wie bei Eis zum Nachtisch: Geht immer), und dann auch wieder zum Col de la Cayolle. Abends gibt es dann bei deren Unterkunft leckere Forelle.



Der nächste Tag findet mich nach einer nicht allzu langen Fahrt am Camping des 5 Vallées bei Briançon. Nachmittags fahre ich mit meinem zweiten Zweirad, dem E-Scooter, auf die Festung. Oder besser gesagt, die große in der Stadt, denn Briançon ist von einer Reihe von Festungsanlagen umgeben.



Col du Lautaret, Col du Galibier und Col du Télégraphe sind Namen, die das Herz jedes Motorradfahrers, der "Alpenpass" buchstabieren kann, höher schlagen lassen. Genau die genieße ich am nächsten Tag. Das Genießen gelingt mir trotz der diversen Möchtegern-Rossis und unsicheren Fahranfänger, der einzeln oder gern auch in Rudeln strampelnd das Vorwärtskommen behindernde Radfahrer, der Schneckentempo-Wohnmobile und Sechs- und Achtzylinder-Flachmänner, die gern, aber erfolglos durch Lautstärke kompensieren möchten, dass ein Motorrad im Zweifelsfall auf so einer stark befahrenen Strecke halt doch schneller vorwärts kommt. Aber es gibt eben immer solche und solche. Glücklicherweise sind die solchen in der Mehrzahl. Und mit ein wenig Rücksichtnahme, mal jemand vorlassen oder einem netten Handzeichen erhält man durchaus auch ein freundliches Kopfnicken oder, oh Wunder, hin und wieder ein Lächeln zurück.



Am Spätnachmittag fühle ich mich ein klein wenig schlapp, mein Hals kratzt noch mehr als schon gestern. Das Fieberthermometer liefert dafür eine plausible Erklärung.


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Also bleibe ich am nächsten Tag erst mal brav auf dem Campingplatz im Schatten. Der Schnelltest auf Covid, Influenza und RSV ist negativ. Darum und weil ich seit morgens schon wieder fieberfrei bin, wage ich mich Nachmittags doch mit dem E-Scooter in die Stadt auf einen Kaffee und Eis und schau mir etliche der mit spannender Streetart verzierten Häuser an, von denen es hier in Briançon viele gibt.



Der Col du Mont Cenis ist nicht ganz so spektakulär wie der Col du Galibier oder Col de la Bonette, dafür aber landschaftlich sehr schön mit seinem tieftürkisen Stausee und dem unterhalb des Staudamms liegenden verlassenen Weiler. Am See komme ich mit einer Gruppe US-Amerikaner ins Gespräch. Die zahlreichen Murmeltiere dagegen sind eher wortkarg und wollen beim Sonnenbaden auf dem Asphalt oder auf Felsen neben der Straße nicht gestört werden.



Die Wetter-App rät mir dazu, schon heute Nachmittag nach Chamonix weiterzufahren. Für die nächsten Tage sind dort Wolken und Regen angesagt, und ich möchte auf keinen Fall, dass das Erlebnis ins Wasser fällt, das mir schon seit Langem im Kopf herumspukt.


Der winzige Campingplatz Les Arolles in Chamonix ist voll belegt. Ich ergattere gerade noch einen Stellplatz ohne Strom in der hintersten Ecke. Das macht aber nichts, ich will hier ja nur zwei Nächte verbringen. Die Mehrzahl der Besucher sind Alpinisten, die den Montblanc entweder zu Fuß besteigen wollen oder, wie ich, die Seilbahn auf die Aiguille du Midi benutzen. Der Anblick des höchsten Bergs Europas raubt mir schon aus dem Tal den Atem, egal vom Campingplatz aus oder aus der Stadt.



Am nächsten Vormittag ist es dann nach einem Frühstück in der Stadt endlich so weit. Die Seilbahn trägt mich 2.800 Höhenmeter auf die Felsnadel Aiguille du Midi. Die Bergstation liegt auf rund 3.800 Meter Höhe. Das makellose Wetter (Danke App!) ermöglicht atemberaubende Ausblicke auf die umliegenden hohen Gipfel und Gletscher und natürlich den nochmal 1.000 Meter höheren Gipfel des Montblanc.



Offenbar ist einigen Leuten nicht klar, dass in dieser Höhe trotz Sommersonne Temperaturen nur wenig über dem Gefrierpunkt herrschen. Entsprechend kommen sie in Shorts oder Klamotten für den Abend in der Disco und Flipflops hoch. Und so ergibt sich ein spannender Gegensatz zu den Bergsteigern, die vor unserer Nase die spektakuläre Südwand der Aiguille du Midi heraufklettern.


Jetzt verlasse ich die Westalpen und mache einen größeren Sprung hinüber in die Lombardei. Die liegt nämlich auf halbem Weg zu meinem letzten, schon fest gebuchten Ziel. Dazu komme ich aber später.


Camping Cave an der Südostecke des Iseo-Sees ist ein idealer Ausgangspunkt die paar Touren der nächsten Tage. Natürlich fahre ich auch rüber zum bekannteren großen Bruder Gardasee. Der Verkehr auf der Straße von Saló entlang dem Westufer steht überwiegend oder kommt nur im Schneckentempo voran. Nachdem ich mir inzwischen wieder die italienische Technik angeeignet habe (einfach auf der Mittellinie alles überholen), gelange ich schließlich in akzeptabler Zeit hinauf nach Riva del Garda. Zum üblichen Touristenpreis für Caffé und Eis summieren sich noch 24,50 € für den Strafzettel, den ich dem wilden Parken Emmas verdanke. Was soll's, Ärgern ist sinnlos, sowas muss man unter Reisekosten verbuchen.



Das bergige Gelände zwischen Iseo- und Gardasee bietet schöne Kurvenstrecken, schattige Täler und ein paar kleinere Seen, wie den Lago d'Idro, den Lago die Ledro und den Stausee Lago Valvestino. Darum fahre ich ein weiteres Mal rüber, diesmal unter weitgehender Vermeidung der maledeiten Uferstraße. Ich möchte nämlich die famose Aussicht auf den Gardasee vom Panorama al Fil genießen und ausserdem zumindest die Zufahrt zur Brasa-Schlucht, die wegen eines Felssturzes noch gesperrt ist.



Die Gegend zwischen den Seen und um den Iseo-See bietet, wie gesagt, so manche schnucklige Ecke.



Auf der Rückfahrt vom Gardasee war mir schon ein Wegweiser zum Crocedomini-Pass aufgefallen. Den nehme ich jetzt von der Westseite unter die Räder. Der Parkplatz vor dem Rifugio quillt über mit Motorrädern und einigen Autos. Wie es aussieht kann die Mehrheit der motorradfahrenden Menschheit ihre Füße ausschließlich zum Schalten und Bremsen einsetzen, denn schon wenige Meter abseits den Hügel hoch ist es, wie üblich, wunderbar ruhig.



Nach dem Rifugio wird die Straße zu einer Schotterstrecke. Emma kennt sowas ja schon, naked bike und Sportreifen stellen kein Hindernis dar. Und schon ein paar Kilometer weiter geht es ja schon wieder gepflegt auf Asphalt weiter. Die Landschaft hier oben ist wunderschön. Auf dem Weg nach unten gibt es im Rifugio Manivia Caffé und Apfelstrudel.



Nach einem verregneten Vormittag steht ein Besuch von Bergamo auf dem Programm. Vor allem Bergamo Alto, die Altstadt auf dem Hügel, lädt zum Erkunden der Gässchen und zahllosen historischen Gebäude ein.



Ausser dem Agriturismo zu Beginn ist mein nächstes und abschließendes Ziel in den Alpen das einzige, bei dem ich im Voraus Zeitpunkt und Unterkunft fest gebucht hatte. Alles andere entscheide ich im Normalfall spontan von Tag zu Tag, abhängig von Wetter, Bauchgefühl und spontaner Eingebung.


Neukirchen am Großvenediger im Salzburger Land ist jährlich Schauplatz des Club of Newchurch. Hier treffen sich eine Woche lang mehr oder weniger (eigentlich überwiegend mehr) Motorradverrückte aus weitem Umkreis. Es gibt Verkaufsstände, Essen, Trinken, ein nicht ganz ernst zu nehmendes verrücktes Mopedrennen, abends spielen Bands auf zwei Bühnen, und an allen Ecken und Enden sieht und hört man die abgefahrensten Zweiräder.



Der Camper-Stellplatz gehört zum flippigen Gasthaus BergBaur, wo es sich auch vorzüglich Essen lässt. In der Umgebung besuche ich auch den Gerlospass und die Zillertaler Höhenstraße.



Jetzt bin ich nicht mehr allzu weit von meiner alten Heimat entfernt. Ich fahre zu meiner Schwester und ihrer Familie, treffe mich dort mit Freunden aus meinen (ach so lang vergangenen) jungen Jahren. Auch Salzburg (inklusive Genuss einer Bosna), der Gaisberg und die Berge des Salzkammerguts stehen auf dem Programm und natürlich auch eine kleine Ausfahrt mit Schwester und Schwager auf unseren Motorrädern.



Rund drei Wochen sind wieder mal wie im Flug vergangen, gut 2.000 Kilometer auf Emma viel zu schnell absolviert. Schade. Aber nach der Tour ist ja bekanntlich vor der Tour.




 
 
 

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